Der Fluency-Effekt ist ein Begriff aus der Kognitiven Psychologie und wird mit Verarbeitungsflüssigkeit übersetzt.
Er besagt, dass wir Menschen Informationen dann als besser bewerten, je leichter sie von uns verarbeitet bzw. aus dem Gedächtnis abgerufen werden können.
Ich bringen Ihnen dafür einige Beispiele:
Hässliche Schrift – schlechter Inhalt?
Ein Schüler schreibt eine Schularbeit in schwer leserlicher Schrift. Der Lehrer öffnet das Heft und bewertet den Inhalt der Schularbeit von vornherein als schlechter, als wenn die Schularbeit in Schönschrift geschrieben worden wäre. Ist sich der Lehrer des Fluenca-Effekts bewusst, kann er ihm gegensteuern, ansonsten ist er ihm ausgeliefert.
Akustisch schwer verstehbar – weniger wichtig?
Die Ehefrau eines schwerhörigen Mannes teilt diesem mit, dass sie am Abend Besuch von einem langjährigen Freund bekommen werden. Der Mann versteht die Mitteilung nicht, winkt ab, fragt nicht mehr nach, sondern denkt sich: So wichtig kann es nicht gewesen sein (wenn ich es so schwer verstehen kann). Wie überrascht ist er, als am Abend der Freund vor der Tür steht.
Leicht erinnerbar – gute Qualität
Notieren Sie 4 Ressourcen, auf die Sie im Krisenfall zurückgreifen können. Nun bitte ich Sie, Ihre Resilienz (Widerstandkraft) von o-10 einzuschätzen. Vermutlich schätzen Sie Ihre Kompetenz höher ein, als wenn ich Sie gebeten hätte, 12 Ressourcen aufzulisten.
Wenn etwas so schwer ist, zu erinnern, kann es nicht gut sein.
4 : 12
Wenn Sie Ihren Gatten/Ihre Gattin fragen, welche 4 Eigenschaften er/sie an Ihnen liebt, wird er/sie Ihre Persönlichkeit als liebenswerter einstufen, als wenn Sie Ihn/sie bitten, 12 Eigenschaften aufzuzählen.
12 Dinge aufzulisten, ist bereits eine ziemlich große Herausforderung. Sie strengt uns an. Und weil sie uns anstrengt, „denken“ wir unbewusst, dass die Qualität dessen, was so anstrengend war, nicht gut sein kann.
Diesen unbewusst ablaufenden Effekt der kognitiven Psychologie macht sich z.B. die Werbung zunutze.
Referenten, die auf ihren Powerpointfolien 4 Punkte aufgelistet haben, werden besser bewertet, als wenn sie ihre Folien vollfüllen.
Weniger (Information) ist so gesehen also wirklich mehr (wert)!
Mögliches Facit:
Vielleicht erklärt dieser Effekt, warum Menschen, die in ihrer Ehe oder am Arbeitsplatz „alles“ gegeben haben oft weniger wertgeschätzt wurden, als solche, die auch „Nein“ sagen konnten.
Vielleicht erklärt dieser Effekt auch, warum wir uns so wohl fühlen, wenn auf einem Regal wenige bis gar keine Gegenstände vorzufinden sind, als wenn es vollgeräumt ist und warum wir uns so wohl fühlen, wenn wir in den freien blauen Himmel schauen.
Quelle: Dr. Anton Kühberger (Prof. Universität Salzburg)