In einer Fortbildung von Dr. Barbara Juen – einer geschätzten Psychologiekollegin – öffneten sich mir plötzlich die Augen.
Das Thema war Resilienz. Sie definierte Resilienz nicht mit Widerstandsfähigkeit allein. Sie ergänzte die Definition um zwei weitere Begriffe: Regenerationsfähigkeit und Wachstum.
Resilienz besteht somit aus:
- Widerstandsfähigkeit (Kann ich mich gegenüber Stresssoren wehren und abgrenzen? Kann ich meine Bedürfnisse äußern, wertschätzend kommunizieren und Konflikte konstruktiv austragen?)
- Regenerationsfähigkeit (Kann ich am Wochenende so viel Energie tanken, dass ich die darauffolgende Woche leistungsfähig bin? Kann ich entspannen, abschalten? Bin ich abkömmlich? Kann ich mich erholen?)
- Wachstum (Habe ich aus der Krise gelernt? Bin ich gescheiter als vorher? Weiß ich, wozu eine Krise gut war? Bin ich nun gut auf die nächste Krise vorbereitet?)
Wenn Patienten nach dem Einsatz eines künstlichen Kniegelenks in Rehabilitation kommen, meinen Sie oft, fleißig trainieren allein helfe, damit sich die Muskeln rund um das Knie wieder aufbauen. Doch damit liegen sie laut Auskunft meiner Physik-Kollegen falsch. Diese müssen die Patienten regelmäßig daran erinnern, dass auch Erholung für das Knie wichtig ist, weil sich in dieser Zeit die Muskelfasern bilden….sie sammeln Kraft!
Das selbe gilt auch für den Geist und die Psyche des Menschen. Dabei gilt es zu beachten, dass es verschiedene Ebenen gibt, auf denen wir regenerieren können sollten: Körper (Physis), Geist (Kognition), Psyche (Emotion).
Kognition:
Ein ganzer Tag am Computer arbeiten und am Abend dann einen Film schauen und nebenbei auf dem Handy chatten, mag psychisch erholsam sein, nicht aber geistig. das Gehirn braucht dann wohl eher geschlossene Augen, Natur und Stille.
Emotion:
Umgekehrt mag eine Kindergartenpädagogin am Abend emotional ausgelaugt sein. Sie will dann nicht noch ihre klagende Freundin treffen, sondern lieber einen Sprachkurs belegen, bei dem sie emotional regenerieren kann und geistig gefordert ist.
Unter den emotionalen Bereich kann man auch den sozialen subsumieren. Jemand, der den ganzen tag allein im Büro sitzt, regeneriert am Abend in geselliger Runde. Jemand, der den ganzen Tag mit Kunden zu tun hat, wünscht sich am Abend vielleicht nicht noch unbedingt Pflichtbesuche.
Physis:
Ein Handwerker oder ein Krankenpfleger empfindet es als regenerativ, die Beine hochzulegen und zu entspannen, nicht aber unbedingt, spazieren zu gehen oder im Fitnessstudio am Laufband zu laufen.
Frage zur Selbstreflexion:
Brauchen wir Corona, weil wir alle noch nicht gelernt haben, richtig zu regenerieren? Viele meiner Patient:innen/Klient:innen bejahen diese Frage. Wie ist es für Sie?
P.S.:
Manche Menschen meinen, Resilienz sei das selbe wie Resistenz. Doch was ist der Unterschied? Lesen Sie hier weiter.
Sie sehen lieber zum Thema einen Kurzfilm? Dann sind Sie hier richtig.