Remote Work – Arbeiten aus der Ferne besser als live vor Ort?

Remote Work bedeutet, über (große) geografische Distanzen hinweg zeitgleich oder zeitversetzt am selben Projekt und Dokument zu arbeiten, einen gemeinsamen Kalender zu nützen und chatten zu können.
Auch Online-Beratungen, Online- Besprechungen, Online-Fortbildungen als Meetings oder Webinare, Home-Shooling, E-Learning und vermutlich noch viel mehr fallen unter diesen Begriff.

Als Psychologin ist mir klar, dass ein Leben ausschließlich vor dem Bildschirm ein höchst einseitiges und auf Dauer krankmachendes Leben wäre.

Wir alle wünschen uns natürlicherweise nach einer Zeit längeren Krankenstandes, längerer Quarantäne oder Ausgangsbeschränkungen wieder mehr physische Kontakte und Nähe als digitale.

Und wir wissen, dass es Menschen mit Internet(spiel)sucht gibt, für die Remote Work daher ohnedies zur Gänze ungeeignet wäre.
Wir wissen, dass dauerndes Sitzen und Schauen auf gleiche Weise für Körperhaltung und Augen schlecht ist. Das alles ist unumstritten, daher sage ich nicht: Entweder Live Arbeit oder Remote Work, sondern wenn, dann: Sowohl mit Menschen – als auch virtuell.

Remote Work – also das Arbeiten auf der Ferne  – kann viele Vorteile haben!             Als ich Online-Supervisionen abhielt, bekam ich z.B. das Feedback, dass es viel gemütlicher sei, zu Hause vorm eigenen Laptop zu sitzen, als im Besprechungsraum am Dienstort.                              Ich selbst war überrascht, dass mich das Abhalten eines Webinars (Vortrag übers Internet) weniger ermüdete, als ein Seminar mit körperlicher Anwesenheit. Für das Seminar vor Ort hätte ich einen ganzen Tag gebraucht, für das Seminar 2 Stunden.

Bei Webinaren genossen es die Teilnehmenden, dass sie anonym teilnehmen und Fragen stellen konnten und sich die lange Wegstrecke mit dem Auto zum Fortbildungsort, Übernachtungskosten und Nerven ersparten.

Natürlich kann auch das Sitzen vor dem Bildschirm Nerven kosten. Vor allem für Menschen, die bevorzugt „Körpertypen“ sind.
Auch glaube ich, dass es individuell zu entscheiden ist, ob virtuelles Arbeiten wirklich eine gute Alternative zum realen Arbeitsplatz mit realen Kollegen.

Möglicherweise hängt es auch davon ab, mit wie vielen Menschen jemand tagtäglich tun hat. Ein Arzt, der täglich viele Menschen sieht, hält seinen Vortrag lieber online als Webinar, als live. Ein Pädagoge zieht es vielleicht vor, nicht nach der Schule noch für eine Fortbildung in der Schule bleiben zu müssen, sondern diese in der vertrauten Umgebung von zu Hause genießen zu dürfen. Eine Gesundheit-und Krankenpflegerin will für die Supervision vielleicht lieber von ihrem Wohnzimmer mit einer Tasse Tee als im zu kühl klimatisierten und sterilen Seminarraum eines Krankenhauses absolvieren.

Umgekehrt ist es für Menschen mit sozialem Rückzug (aus Angst, wegen Depressionen,..) womöglich besser, live an einer Veranstaltung/Meeting teilzunehmen, damit sie unter Menschen kommen. Auch Menschen, vor allem Frauen, die sich (noch) keine gemütliche Home-Office-Atmosphäre schaffen können, weil ihr virtueller Arbeitsplatz entweder belegt ist oder sie durch Kinder oder andere Familienmitglieder gestört werden. Für viele Menschen ist der reale Arbeitsplatz an einem anderen Ort als zu Hause eine wohltuende Abwechslung zum Haushalt und familiären Stress zu Hause.

Insgesamt wird Remote Work jedoch noch etwas stiefkindlich behandelt –  zu unrecht, wie ich finde. Vielleicht kommt es auf die gesunde Mischung an?

Umso wichtiger ist es daher, zu wissen, worauf es für Sie ankommt, damit Sie sich vor dem Bildschirm wohlfühlen.
Brauchen Sie wenig oder mehr Licht? Tut Ihnen mehr Wäre gut oder weniger? Wünschen Sie sich Ihre Katze, Pflanzen, Kaffee in der Nähe? Welche Körperpostitionen sind für Sie angenehm?

Als ich in der Firma meines Bruders Ekoconsulting GmbH mit Remote Work begann, machte mich das noch nervös, dass jemand anderer zeitgleich das selbe Dokument gestaltete, das ich gerade bearbeitete. Bis ich mich vorm Bildschirm wohlfühlte, dauerte es lange.
Auch heute ist es oft noch so, dass ich mich vor dem Bildschirm so verhalte, als wolle ich zu meinem Gesprächspartner*in durchs Gerät hindurchkrabbeln wollen, um mit ihr oder ihm in Kontakt zu kommen. Das stresst natürlich. Einer meiner Kollegen sitzt 5.420 km weit von mir weg. Da müsste ich lange krabbeln! 😉

Folgende zwei Fragen dürfen wir uns stellen und werde ich in einem gesonderten Beitrag hier beantworten:

1. Welche Bedingungen brauchen Sie, um sich vorm Bildschirm möglichst wohl zu fühlen?

2. Was könnte der Live-Arbeitsplatz gegenüber dem virtuellen Arbeitsplatz für Vorteile haben?

Mein Remote-Bruder Dominik hat dazu hier einen Film gedreht und Artikel geschrieben.

Freilich kann und soll die virtuelle Welt die reale nie und nimmer ersetzen können.
Aber angenommen, wir würden zwar mehr Remote arbeiten, aber die uns verbleibende Zeit bewusst im physischen Kontakt mit unseren lieben Menschen, Tieren und der Natur verbringen?

Wie viele Hobbys haben wir noch neben unserem Handy, Tablet, Laptop, TV?

Ein Buch, bei dem die Seiten duften und rascheln, ein Musikinstrument, körperliche Betätigung, wie tanzen?

Wenn wir nach ca. 30 Jahren Handyzeitalter darauf achten, dass wir ein Handy haben und nicht, dass das Handy uns hat, dann hat Remote Work auch sein Gutes!

Auch psychologische Beratungen dürfen online stattfinden. Stellen Sie sich vor, eine Klientin erkrankt, braucht aber emotionale Unterstützung und ist in der Lage, auf ZOOM mit mir zu kommunizieren. Oder ein Klient wandert nach Australien aus und wünscht weiterhin Supervision. Oder jemand traut sich noch nicht, real psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen und überwindet mittels schriftlichem Austausch eine erste Hürde, um sich Hilfe zu holen.

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Mein Buch „Mentikamente von A-Z…“