Einstellungsimpfung

Wieso nützt es nichts, wenn Sie Ihrer pubertierenden Tochter 100sten Mal sagen, dass sie Ihr Zimmer aufräumen soll?

Wieso können Sie Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen nicht zu einer Impfung überzeugen und umgekehrt?

Wieso ändert es gar nichts, wenn Sie Ihrem Mann zum 1000sten Mal sagen, dass er beim Spazierengehen nicht immer 10 Meter voraus laufen soll?

Wieso können Sie bei Ihrem Kunden, Geschäftspartner oder wem auch immer keine Meinungsänderung bewirken, wo Sie doch so dermaßen gute und perfekt belegte rationale Argumente für Ihre Meinung dargebracht haben?

Die Antwort ist einfach: Weil Sie Ihren Gesprächspartner „impfen“.
Und diese Impfung funktioniert wie eine medizinische Impfung: Sie setzen Ihren Gesprächspartner dosiert und immer wieder dem Fremdkörper (Ihre eigene Meinung) aus. Ihr Gesprächspartner bildet Abwehrstoffe gegen diesen Fremdkörper, für den Fall, dass plötzlich ein stärkerer Angriff kommt. Er ist geimpft!
Wenn Sie also mit wem auch immer diskutieren, dann tun Sie diesem Menschen einen Gefallen. Sie helfen ihm, bei seiner eigenen Meinung zu bleiben und verfestigen diese sogar noch.

Diskutieren, Analysieren, Reden das hilft nichts. Es mag für all jene, die ein hohes Maß an Kognitionsbedürfnis haben, ein netter Zeitvertreib sein, das ist alles.
Diskutieren dient mit einer einzigen Ausnahme einer Meinungsänderung, nämlich wenn die 1. Meinung auch nur rational entstanden ist. Dann kann sie durch andere rationale Argumente geändert werden und zu einer neuen 2. Meinung führen.
Z.B. Ich lese etwas Positives über einen bekannten Kabarettisten und finde ich deshalb toll.
Zwei Monate später höre ich etwas Negatives, ändere darauf meine Meinung und finde ihn gar nicht mehr so toll.

Im familiären Umfeld entstehen viele Einstellungen jedoch nicht aufgrund von Zeitungsberichten, sondern aufgrund unbewusster und emotional gefärbter Beweggründe. Die pubertierende Tochter hat möglicherweise viele innere Konflikte, die in Unordnung Ihren Ausdruck finden. Oder aber sie hat unbewusste Aggressionen und sie macht deshalb „Häufchen“, um ihre Eltern zu ärgern. 

Facit:
Wenn Sie das nächste Mal wutentbrannt in das Zimmer Ihrer Tochter laufen wollen, um ihr zum 1000sten Mal etwas einreden zu versuchen, dann bremsen Sie sich vorher ab, atmen tief ein und aus und fragen sich:
„Will ich sie impfen?“

Wenn Sie Ihre Tochter nicht in ihrer Einstellung gegen Ihre Einstellung impfen möchten, dann wählen Sie einen anderen Weg, den Weg der Empathie.

Empathie bringt Sympathie

Weit zielführender als zu diskutieren ist es, das dahinter liegende Bedürfnis zu erkunden und zu erfüllen.
Die pubertierende Tochter, die gar nicht daran denkt, ihr Zimmer aufzuräumen, hat möglicherweise das Bedürfnis nach Verständnis und Raum zum Reden über das, was sie wirklich beschäftigt.

Sofern ich mit einem Menschen in Verbindung bleiben möchte, der anders denkt, hilft keine Einstellungsimpfung. Viel klüger als über Impfung oder nicht zu diskutieren, wäre es z.B. zu sagen:

„Wenn ich höre, dass du meinst, ich sei bescheuert, weil ich mich nicht impfen lasse, dann verletzt mich das. Ich wünsche mir, mit dir in Kontakt zu bleiben. Bitte lass uns das Thema Corona aussparen und davon sprechen, was uns beide gut tut/stärkt/lebendig hält,…“ Lebendige Kommunikation nach M. Rosenberg ist für mich hier eine wohltuende Möglichkeit, eine Brücke zwischen zwei Ufern an Einstellungen zu bauen.

Hinter jedem noch so verrücktem, irrationalem, kranken, ausgehobeltem Verhalten liegt ein zutiefst verständliches menschliches Grundbedürfnis.
Zugegeben, es ist nicht immer leicht, dahinter zu blicken, aber dafür gibt es ja schließlich die Psychologie 😉

Spätestens nach erfolgter Einstellungsimpfung wird nur noch Empathie zielführend sein.

Vielleicht gilt dies auch für die Corona-Einstellungs-Impfung?

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